Armenien-Resolution: Genozid-Leugnern darf kein Podium mehr geboten werden

Ali Söylemezoglu (mitte), Vorsitzender der „Muslimischen Türkenunion und Dialog für Frieden“ (MTB) bezeichnet den Völkermord an den Armeniern als „imperialistische Lüge“.

Sehr geehrter Herr Landrat Hämmerle,

zunächst möchten wir Ihnen danken, dass Sie die Ausstellung „1915-2015. Armenische Architektur und Genozid“ im Landratsamt zeigen.

Für Donnerstag, den 16. Februar 2017, laden Sie offiziell zur Podiumsdiskussion „Genozid an den Armeniern – darf man das sagen?“ ein. Dabei präsentieren Sie unter anderem Herrn Ali Söylemezoglu als Podiumsteilnehmer, um „die türkische Sicht auf das Geschehen im Ersten Weltkrieg und den Umgang mit dem Thema in der Türkei“ zu vertreten.

Hat die am 2. Juni 2016 stattgefundene offizielle und historische Anerkennung des Völkermords an den Armeniern durch den Deutschen Bundestag – bei Benennung der deutschen Mitverantwortung beim Genozid – keine Relevanz? Der Anerkennung der eigenen Mitschuld und der klaren Klassifizierung der Massaker als „Völkermord“ durch den Bundespräsidenten, den Bundestagspräsidenten und des Deutschen Bundestages ist ein jahrelanger und mühseliger Kampf vorausgegangen. All dies verliert durch solche Veranstaltungen, die den Völkermord durch eine bedenkliche Titel- und Gästeauswahl weiterhin in Frage stellen, an Bedeutung.

Bei Ihrem Gast, Herrn Ali Söylemezoglu, handelt es sich um einen allseits bekannten Hobby-Historiker, der als Leugner des Völkermordes an den Armeniern besonders in der türkisch-nationalistischen Community gefeiert wird. Sein Verein „Dialog für Frieden“ verbreitet Pamphlete, die mit „Eine Lüge ist eine Lüge und bleibt eine Lüge“ überschrieben sind und unverhohlen drohen:

„Über Cem Özdemir ist nur soviel zu sagen, dass sein Hass auf die türkische Regierung und seine Nähe zur terroristischen PKK offensichtlich sein ganzes Handeln bestimmen. Ebenso Sevim Dagdelen von der Linken. 
Auch Azize Tank, Mutlu Özcan, Metin Hakverdi, Cansel Kiziltepe, Aydan Özoguz, Gülistan Yüksel und Ekin Deligöz vergessen wir ihren Verrat an unserem gemeinsamen Herkunftsland nicht.“

Wegen solcher Drohungen, wie sie Herr Söylemezoglus Verein ausspricht, musste das Bundeskriminalamt türkischstämmige Mitglieder des Bundestages nach der Armenien-Resolution unter Personenschutz stellen, weil die Gefährdungslage akut war!

Von türkischen Konsulaten und der türkischen Botschaft wird Herr Söylemezoglu gerne als Referent all jenen vorgeschlagen, die meinen, ein Genozidleugner würde sich doch ganz gut auf einem Podium machen. Seine Argumentationsmethoden sind dabei auf bewusste Täuschungen, Manipulationen und Drohungen ausgelegt, wie erst kürzlich erneut erfolgt. Wir haben berichtet.

Sehr geehrter Herr Landrat, mal anders gefragt: Würden Sie eine Podiumsdiskussion zum  – rein hypothetischen – Thema „Die Shoah an den Juden – darf man das sagen?“ veranstalten und dazu einen Vertreter der NPD oder einer anderen rechtsradikalen Vereinigung einladen, um einen möglichst breiten Bogen zu spannen? Wohl kaum, und das aus guten Gründen.

Eine solche Podiumsdiskussion unter diesem Titel und dazu mit einem bekannten Leugner des Völkermordes durchzuführen, zeugt nicht von Meinungsvielfalt, sondern wertet die Leugner eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit auf und spielt den ewiggestrigen Geschichtsrevisionisten in unserer Gesellschaft, unabhängig welchen Pass sie besitzen, geradezu in die Hände.

Als Landratsamt Konstanz kommunizieren Sie damit unweigerlich: Die historische Armenien-Resolution hat nichts geändert. Leugner des Armeniergenozides erhalten in Deutschland weiterhin ein Forum, gleichgültig, ob Armenier dadurch verunglimpft werden oder nicht!

Der „besonderen Verantwortung“, wie die Bundestagsresolution festhält, in der sich Deutschland in den deutsch-armenisch-türkischen Beziehungen sieht, kommen Sie damit mitnichten nach – im Gegenteil.

Auch ist die „türkische Sicht auf das Geschehen“ (sic!) gar nicht so monolithisch, wie es der Generalkonsul Cem Örnekol Ihnen weismachen will. Es gibt viele mutige Menschen in der Türkei , die „das Geschehene“ unmissverständlich als Genozid bezeichnen und die sich für eine Aufarbeitung der Geschichte einsetzten. Sie alle wissen, wer seine Vergangenheit nicht aufarbeitet, wird die Fehler aus der Vergangenheit wiederholen. Sicherlich stellen sie innerhalb der türkischen Gesellschaft keine Mehrheit dar, doch kann man diese zivilgesellschaftlich organisierten demokratisch gesinnten Menschen nicht für die Ausführungen des Herrn Söylemezoglu in Haft nehmen. Es gibt keine türkische Sichtweise.

Es gibt lediglich eine aggressive staatlich gelenkte Leugner-Sichtweise aus Ankara, und einen entsprechenden Vertreter haben Sie über den türkischen Generalkonsul eingeladen.

Die Leugnung eines Völkermords, sehr geehrter Herr Hämmerle, ist die letzte und integrale Etappe des Genozids. Der Holocaustüberlebende und Nobelpreisträger Elie Wiesel hat die Leugnung als „zweite Tötung“ der Opfer beschrieben. Es ist noch nicht zu spät – bieten Sie der Leugnung des Völkermordes an den Armeniern kein amtliches Podium und setzen Sie damit ein wichtiges Signal zur Beendigung der Genozidleugnung in Deutschland.